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Das goldene
Au

Oberauer Sagen

Oberau ist nicht nur reich an lustigen und weniger lustigen Geschichten, sondern es ranken sich auch eine ganze Reihe von Sagen und mystische Geschichten in und um das alte Au. Sagen lassen sich in der Regel auf historische Ereignisse und Naturphänomene zurückführen. Diese können schreckliche und grausame Begebenheiten sein oder auf Ereignissen beziehungsweise örtlichen Besonderheiten, für die man keine Erklärung finden konnte, basieren. Diese wahren Ereignisse und Handlungsorte wurden in Sagen aufgenommen. Wenn man in früherer Zeit für Naturphänomene keine Erklärung fand, dann füllte der Aberglaube diese Lücke: Glühwürmchen oder biolumineszierende Pilze wurden schnell zu Unheilverkündern oder Boten des Bösen in der Natur. In vielen Mythen und Legenden werden Lichterscheinungen zu Seelen Verstorbener, die zu Lebzeiten böse waren und nun zur Strafe auf ewig auf der Erde wandeln müssen oder nach Erlösung suchen. 

So soll es auch zwischen dem Mauthaus in Oberau und dem Steinernen Brückerl „gegeistert“ haben. Am Waldrand, an den Ufern des Ronetsbachs, der Loisach und auf den Wiesen links und rechts neben der „Landstraß“ leuchteten – so erzählen es mehrere Sagen – urplötzlich immer wieder kleine Lichter auf, bewegten sich, flackerten, brannten eine Weile und erloschen dann urplötzlich wieder, um an anderer Stelle erneut auf sich aufmerksam zu machen. So berichten Reisende und Wanderer immer wieder von diesen unheimlichen Lichterscheinungen. Zum Teil wurden diese Lichterscheinungen auch mit der „arme Seel vo an Mörder“ in Verbindung gebracht, wobei das Rauschen des Windes durch das Loisachtal als erbarmungswürdiges Stöhnen des Irrlichts gedeutet wurde. Eine Sage erzählt, dass die an verschiedenen Stellen immer wieder aufleuchtenden heulenden Seelenlichter eines Mörders die Fahrgäste einer Reisekutsche so aufgewühlt hatte, dass eine der mitreisenden Frauen noch am gleichen Abend eine Kerze für das Seelenheil des Mörders stiftete. 

Ein anderes Naturereignis führte zu einem seit vielen Jahrzehnten in Oberau nicht mehr geübten Brauch: Das Scheibentreiben. Der Brauch könnte auf die Erinnerung an einen Meteoriteneinschlag in vorgeschichtlicher Zeit (Bronzezeit, Keltenzeit) im Chiemgau, den sogenannten Chiemgau-Impakt, der bis ins Werdenfelser Land durch Feuererscheinungen am Himmel zu sehen war, zurückzuführen sein. Der Brauch des Scheibentreibens wurde immer in der Woche nach Ostern, vom Dienstag auf Mittwoch, von den Oberauer Burschen zu Ehren ihrer Liebsten praktiziert.

 

Zwei Bäuerinnen, eine aus Tirol, die andere aus Partenkirchen, berichten unabhängig voneinander und zu unterschiedlichen Zeitpunkten von diesen Heerzügen. Beide befanden sich auf einer Wallfahrt nach Ettal. Diese spirituell angespannte Situation unterstützte sicherlich – ergänzt um die alten Erzählungen – die Erscheinungen. 

Der Kreuzzug findet auch Erwähnung in einer weiteren Sage, bei der zwei Brüder um das Erbe ihres Vaters kämpfen, der von einem Kreuzzug nicht mehr zurückgekehrt war. An diesen Kreuzzügen haben auch niedrige Adlige teilgenommen. Das könnte auch auf das In Oberau ansässige „niedere“ Adelsgeschlecht“ der Auer zugetroffen haben.

Sagen mit kämpfenden Brüdern weisen darauf hin, dass ein Geschlecht durch einen Erbschaftsstreit ausgelöscht wurde. In Oberau ist im 13. und 14. Jahrhundert die Existenz des niederen Adelsgeschlechts („miles“) der Auer überliefert. Nachdem das Geschlecht danach nicht mehr in Urkunden und Aufzeichnungen erscheint, muss davon ausgegangen werden, dass es im männlichen Zweig ausgestorben ist.

1984 wurde im Zuge der Renovierungsarbeiten in St. Georg ein Grab entdeckt, das die Gebeine eines Mannes, einer Frau und Kinderskelette enthielt. Der Schädel des Mannes hatte in der Stirn ein großes Loch, das von einer Waffe stammen muss. Die Knochenfunde sind aufgrund einer Radiumcarbonuntersuchung um das Jahr 1300 datiert. Der Fund war vor allem deshalb bedeutend, weil die Grabstätte in unmittelbarer Nähe des früheren Altars lag. Nach dem Kirchenrecht durften Menschen grundsätzlich nicht in der Kirche beerdigt werden. Es gab allerdings Ausnahmen. Im großen Rahmen waren dies natürlich der Klerus und der hohe Adel, deren Angehörige ihre letzte Ruhe in den Kathedralen des Mittelalters fanden. Gehören die gefundenen Knochen zu Mitgliedern der Familie der kämpfenden Ritter? Ist einer der Ritter in St. Georg begraben? Wir wissen es nicht. Auf das ausgestorbene Adelsgeschlecht weist auch eine andere Sage hin: In Oberau wurden immer wieder drei weiße Frauen, eine davon mit einem großen Schlüsselbund zur Schatzkammer und einem riesigen Hund, gesehen.

Sagen dieser Art, in denen von drei Frauen oder Fräulein die Rede ist, weisen in der Regel auf Burgen und Geschlechter hin, die im Mannesstamm erloschen sind. Inhaltlich ähnliche Sagen von weißen Frauen und dem Höllenhund finden wir z.B. in Berchtesgaden, aber auch in unmittelbarer Nähe im Zusammenhang mit der Burg Werdenfels.